Neulich beim Zahnarzt…

…und was das mit dem Reiss-Profil zu tun hat!

Neulich beim Zahnarzt hatte ich ein merkwürdiges Erlebnis. Doch was hat das mit dem Reiss-Profil zu tun?

Zum Hintergrund bzw. Kontext
Mit unserer 10-jährigen Tochter ging ich kürzlich zum Zahnarzt. Sie sollte eine etwas aufwändigere Behandlung bekommen – mit Betäubungsspritze. Sie hatte richtig Angst und ich war auch etwas angespannt, weil ich die Behandlung aus eigener Erfahrung kannte und mich erinnerte, wie sehr ich mich vor meiner ersten Spritze beim Zahnarzt gefürchtet hatte.

Als sie auf dem Behandlungsstuhl saß stellte sich heraus, dass der Zahn noch ‚zu klein‘ für die (von ihm selbst) geplante die Behandlung war, so dass sie ersatzlos ausfiel. Stattdessen empfahl er nun eine kieferorthopädische Behandlung.

Diese kurzfristige Absage und das Umschwenken in der Behandlung unserer Tochter löste bei mir Fragen aus, die ich unbedingt loswerden musste. Der Zahnarzt hielt plötzlich inne, schickte unsere Tochter raus zur Belohnungskiste und begann ein Gespräch mit mir. Ich empfand es eher als Monolog.

Seine Botschaft: Der einzige Kieferorthopäde, den er empfehlen könne, den er für sehr genial halte und der perfektionistische Züge habe, würde nicht zu mir passen. Seine Begründung: Ich stelle zu viele Fragen und das würde er nicht mögen. Die Ansprache und Begründung des Zahnarztes überraschten mich ziemlich, ein bisschen fühlte ich mich auch getroffen und missverstanden.

Mein Kopf setzte wieder ein – Reflexion über mein eigenes Verhalten
Warum stellte ich diese vielen Fragen bei der überraschenden Änderung der Therapieempfehlung?

Schlagartig ist mir in dem Moment folgendes (wieder einmal) bewusst geworden: ‚Neugier‘ ist das Lebensmotiv im Reiss Profil, welches bei mir sehr hoch ausgeprägt ist. Eine kurze Erklärung: Ich empfinde Freude dabei, neue Dinge zu erfahren und zu erforschen. Wenn ich jedoch Stress verspüre, dann kann es sein, dass ich – aufgrund dieses stark ausgeprägten Neugier-Motivs – nach immer mehr Sicherheit in Form von Wissen suche und immer weniger meinem Gegenüber vertraue. Es ist also ein starker Impuls, dem ich manchmal unreflektiert nachgebe.

Grundsätzlich gilt: Je stärker das Motiv, desto stärker ist der (intrinsische) Impuls. Mein Ziel war in dem Moment: Ich will selbst eine fundierte Entscheidung treffen können.

Wie wirkt das auf andere? Das kommt auf die Motive an!
In diesem Fall hatte ich den Eindruck, der Zahnarzt sprach eigentlich von sich selbst – über den Umweg seines Kollegen. Nun hätte ich mich bedanken und frustriert gehen können. Ich versuchte es mit einer Klärung.

Deshalb habe ich ihm in knapper Form das Reiss Profil erläutert, und zwar anhand von einem zentralen Lebensmotiv: Anerkennung, im Englischen ‚social acceptance‘. Wenn ein Mensch empfindlich auf Fragen reagiert und sich dadurch kritisiert fühlt, dann kann das an einer hohen Ausprägung des Motivs „Anerkennung“ liegen. Denn dann bewerte ich das, was ich tue, stark aus dem Blickwinkel meines Gegenübers. Anders ausgedrückt: Wie wird mein Gegenüber mich bewerten? oder auch ‚Perfektionismus im Auge des Betrachters‘.

Ich habe ihm auch mein Neugier-Motiv erklärt und den Wissendurst, der durch meine Verunsicherung und den Stress im Geschehen rund um die Behandlung ausgelöst worden war. Ich sah hier den möglichen Ursprung für die von dem Zahnarzt prognostizierte, fehlende ‚Passung‘ zwischen dem Kieferorthopäden und mir. Hier könnten also zwei Motive ‚aneinander‘ geraten.

Was hilft bei Spannungen und Konflikten
Die Offenheit zur Reflexion und das Wissen um die Lebensmotive und ihre Ausprägung kann eine Situation sehr entlasten. Viele offene oder verdeckte Konflikte oder auch ‚Verwunderung‘ über das Handeln einer anderen Person lassen sich mit dem Wissen um die unterschiedlichen Motiv-Ausprägungen der beteiligten Akteure verstehen und ‚entschärfen‘. Im Coaching und in Teamentwicklungen habe ich schon oft sehr positive Erfahrung mit dem offenen Austausch über die eigenen Motive gemacht.

Was passierte noch beim Zahnarzt? So richtig sind wir leider nicht weitergekommen.
Hierzu fallen mir verschiedene Hypothesen ein:
Es könnte daran gelegen haben, dass mein Rollenwechsel nicht geglückt ist, also von der Mutter der Patientin zur Prozessbeobachterin und -begleiterin.
Vielleicht ging es zu schnell – oder der Zahnarzt wollte oder konnte seine Haltung als ‚Wissender‘ nicht aufgeben – oder er hatte ein hohes Status- oder Wettbewerbsmotiv. Oder…

Ich habe mich entschieden, keine weitere Klärung zu versuchen.